Tanz und Ekstase: Alain Platels VSPRS
Die Haare werden in die Stirn gestrichen. Mit der feuchten Handfläche festgedrückt. In die Stirn - und fest. Diese Geste breitet sich aus wie eine Epidemie. Jeder ist in anderen Bewegungsfolgen befangen. Man tanzt autistisch aneinander vorbei. Doch "In die Stirn - und fest" bietet Einhalt ab und an. Für Momente bildet die Geste kleine Inseln der Sicherheit. Wie alle Ticks. Bis man wieder aneinander vorbei turnt. Zwei treffen aufeinander auf Händen. Sie beschnüffeln sich während ihnen die Beine um die Ohren baumeln. Ein virtuos ausgetüffteltes Pas-de-deux kopfüber.
Doch dann, inmitten des Chaos, beginnt das Magnificat aus Monteverdis Marienvesper. Alle Besessenheit wandelt sich in ein gemeinsames Zittern. Einzelne Glieder verselbständigen sich, sind aber nicht ruhigzustellen. Der ganze Körper wird befallen. Das Zittern wie Espenlaub wächst sich aus zu einer Vibration im Trance. Die Körper versuchen sich zu entkleiden. Doch ihre Absichten ersticken im Keim. Gefangen im eigenen Hemd, in der eigenen Haut sinken sie durchschüttelt zu Boden. Mit dem Blick gen Himmel. Der Lobpreis aus dem Elend ist das Erschütterndste was die Menschheit leistet. Seit Hiob.
Das Stück VSPRS ist Alain Platels jüngste Tanzschöpfung (2006). Wie aus der Arte-Sendung Tanz und Ekstase: Alain Platels VSPRS deutlich wird, arbeiteten Choreograph und Tänzer anhand von Filmmaterialen zweier Neurologen (darunter Oliver Sachs). Die Companie studierte die Bewegungsmuster pathologischer Fälle. Die Tänzer berichten in der Sendung von der Entstehung des Stückes. Dazwischen werden immer wieder lange Ausschnitte aus dem Stück eingeblendet.
16.01.08 um 05:00 Uhr
03.02.08 um 06:00 Uhr
Zur Companie
Les Ballets C de la B ist vielleicht die spannendste Companie gegenwärtig. Sie wurde vor 20 Jahren als ein Tanzkollektiv von mehreren Choreographen und Regisseuren gegründet. Belgien hat mit ihr das Glück, neben Rosas und Ultima Vez drei spannende und über Grenzen hinweg gefragte Companien zu beherbergen.
Zum Choreographen
Alain Platel ist Mitbegründer der Companie. Er hatte zuvor 5 Jahre als Heilpädagoge für Behinderte gearbeitet. 2005 wurde er für sein Lebenswerk mit dem Europäischen Theaterpreis ausgezeichnet. Sein Film über die Companie hat im November 2007 den dancescreen-Preis in Wien erhalten.
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