Wie kommen Choreographen des Tanztheaters oder der freien Szene wie Sasha Waltz dazu, freiwillig Operneinlagen zu liefern? Nachdem der Bühnentanz sich jahrzehntelang von der Opern-/Operettensparte zu lösen suchte? Die Antwort: Tradition!
Es gab immer wieder Festspiele (Salzburg, Bayreuth, Schwetzingen), die sich nicht scheuten, die Avantgarde zu verpflichten. Rudolf von Laban, Kurt Jooss, Harald Kreutzberg, Mary Wigman fanden so für ihre experimentellen Werke eine professionelle Plattform und aufgeschlossenes Publikum. Während Laban seiner Vorliebe für Wagner-Opern fröhnte, zog die Ausdruckstänzerin Mary Wigman, die sonst vorwiegend zu Gongs oder Geräuschmusik tanzte, Gluck vor. Orpheus und Eurydike ist 1947 von Wigman in Leipzig inszeniert worden. Waghalsig verbannte sie damals die Sänger in den Orchesterraum (gar in den Graben?) und ließ ihre Tänzer Bewegungschöre bilden. – Es wurde ein Erfolg. Während Mary Wigman erst am Ende ihrer Laufbahn sich den Opern widmete, stehen sie bei Pina Bausch ganz am Anfang. Ihre Anfänge an den Wuppertaler Bühnen sind markiert von Opern-Choreographien. Ihre zweite Premiere am Haus ist Iphigenie auf Tauris (1974), das bei einer Rezensentenumfrage als “wichtigstes deutsches Tanzereignis” gewertet wurde. Ein Jahr danach entsteht ihre Version von Orpheus und Eurydike (1975).
Noch hat, im Jahre 1975, Pina Bausch nicht ihren Tänzern Stimme verliehen, noch hat sie nicht dem Modern Dance abgeschworen. An das Ensemble der Pariser Oper adaptiert wird die Choreographie das (tänzerische) Bewegungspotential von Pina Bausch uns noch einmal aufdecken.
Wiederholung: Arte, 11.09.08 um 15 Uhr
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