Montag, 28. April 2008

Gespenster, Ballettabend in Bern



Das Dramenskelett spukt

Man kann Ibsens Gespenster durchaus mit George Bernhard Shaw – wie die Berner Ballettchefin es tat - auf ihre Handlung zurückstutzen, die man chronologisch erzählt. Auf ein Skelett. Doch was Ibsen mit der Einführung analytischer Dramen für die Literatur liefert, nämlich Einblick in das Wachsen einer Persönlichkeit, Frau Alving, im Angesicht sich entblössender Wahrheit, erhalten wir dann nicht. 
Wir erfahren nichts vom Striptease einer in Schein verhüllten Gesellschaft, dessen Anstand der Pastor als Bürge der Moral nach Leibeskräften zu wahren suchte. Bis die Hüllen fallen. Bevor Frau Alving ihm aufbahrt, dass er ihr, einer gutgesinnten jungen Frau, den Lebensatem mit dem Korsett des Anstands abschnürte. Sie musste die Ehe mit einem trunksüchtigen Frauenhelden ertragen und nach aussen kaschieren. Unaufgearbeitete Vergangenheit sät die Samen in die nächste Generation. Der Vater treibt über die Erblast seiner Syphilis den Sohn buchstäblich in den Wahnsinn und über seine uneheliche Tochter, der angestellten Magd, in den Inzest.
Ibsen eröffnet die Szene fast biblisch mit dem heimkehrenden verlorenen Sohn. Die anfangs feierlich aufgelegte naiv tätschelnde Mutter reift anhand seiner erzählten Vergangenheit und des bemerkten Inzestverhältnisses zu einer verzweifelten verantwortungsvollen Frau heran – und gewährt ihm Sterbehilfe. Ganz anders bei Cathy Marston und ihrem Dramaturgen Edward Kemp. Statt Entwicklung erfährt Frau Alving eine Persönlichkeitsspaltung: in die junge und ältere Frau Alving. Dies geschieht im Moment der Geburt des Sohnes. Beide Figuren bleiben präsent auf der Bühne, schauen sich in die Augen, jene spricht dieser gut zu. Marston versteht den Titel Gespenster als “Echo der vergangen Zeit”, das hier (jugendlich dynamisch) personifiziert wird. Nur: Ibsen meinte viele. Er nahm die Tiefenpsychologie vorweg, wenn er in uns allen solche spukende verdrängte Gespenster vermutete. Nicht aufgearbeitete Vergangenheit klappert unter’m sittlichen Gewand der Gesellschaft. Aus der späteren “kritisch prüfenden” Frau Alving des Originaltexts wird bei Marston eine ältere Frau, die sich durch die jüngere manipulieren lässt. Die dem Sohn Gift verabreicht wie zur Erlösung aus dem Liebeskummer.
Ungeachtet der inhaltlichen Akzentverschiebung kommt einiges herüber: Dramatik, Spannung und Schauder. Hervorragende Interpretation des Berner Ensembles, sogar der zweiten Besetzung. Zu Zeiten eines Mangels an Liebe für’s Detail, hier findet man sie: Sprechende unverbrauchte Gesten, beispielsweise bei Frau Alving, wenn der Pastor geht. Sie hatte sich ihm anvertraut, er sie zurückgewiesen. Zurückgelassen, hält sie die flache Hand am waagerechten Unterarm vor den Mund, lässt den Ellebogen absacken und gen Himmel fährt die Hand der Versprechung. Ein Gelübde der Verschwiegenheit. Sehr eindrücklich sind auch choreographische Phrasen: Die Stirn dem Segen des Pfarrers entzogen neigen junge und alte Frau Alving frontal unisono eine arabesque penchée mit hängenden Armen zum Publikum hin, lassen den Kopf absacken und schütteln die Arme, eine Last von der Schulter. Auch Effekte weiss Cathy Marston einzusetzen: wenn die Magd und der heimgekehrte Sohn sich am Küchentisch amüsieren, Mehlstaubwolken wirbeln und einander bestäuben. Noch nach geraumer Zeit entfährt ihrem jugendlichen Überschwang und ihrer Drehung eine Staubwolke, ganz wie im Wilden Westen einem Spurt.
Der Überschwang ist auch ein Etikett der Choreographin, denn die Hebungen und Schritte, die ihr für diesen Abend einfallen, füllten ohne weiteres zwei.
Insgesamt ein anspruchsvolles Stück, empfehlenswert!
Wiederholung am Stadttheater Bern:
30. April 2008, 19:30h
4. Mai 2008, 18:00 h
1. Juni 2008, 15:00 h
3. Juni 2008, 19:30 h
5. Juni 2008, 19:30 h

Freitag, 25. April 2008

Tanzfilm: The Cost Of Living

Sucht Ihr einen Ausklang für den Tag des Tanzes? Um 22.55 Uhr strahlt SF1einen preisgekrönten Film des Physical Theatre “The Cost Of Living” aus. Dies ist nicht sein erster Film, nicht seine erste Auszeichnung. Das Genre, in dem Tanz die filmische Geschichte durchwebt, gibt es seit es vielseitige Stars wie Fred Astaire, John Travolta und Michail Barischnikow gibt. Dass nun ein Behinderter im Zentrum steht und seine Vielseitigkeit präsentieren kann, atemberaubend und berührend, ist im Film neu. Nicht im Tanz: seit den 90ern gibt es Tanzgruppen mit Behinderten u.a. in Deutschland (DIN A 13 Tanzcompany), in Grossbritannien (CandoCo) und Ungarn (Gördülö), letztere zu sehen in Yvette Bozsiks Choreographie am Budapester Frühlingsfestival.
Es stecken unterschiedliche ästhetische Konzepte dahinter. Davon hängt ab, ob Behinderte nur ihre Anmut weiter unter Beweis stellen wollen, wie im chinesischen Pas-de-deux, oder virtuos wetteifern wie im break-dance, oder neue Bewegungsbilder durch anderes Gleichgewicht, andere Proportionen wie im Film “The Cost of Living” ausloten, oder gar spasdische Eigenarten einbringen (wie in DIN A 13).
Die Filmausstrahlung ist ein ehrenwerter Beitrag zur Krönung des Welttages des Tanzes. Die Frage muss nur erlaubt sein: wird Attraktion oder Einfühlung geboten?
SF1, 27. April, 2008 22.55 h
Wiederholung
SF1, 05. Mai 2008, 06. 33 h

Montag, 21. April 2008

Henri Oguike im Festival Steps #11


Henri Oguike hält was Regina van Berkel verspricht

Im Rahmen der Steps #11 können die Schweizer das neueste Werk der holländischen Ex-Forsythe-Tänzerin Regina van Berkel wie auch des nigerianisch-britischen Henri Oguiki betrachten. 
Oguike bietet, was man nicht mehr zu hoffen wagte: ausgfeilte Choreographie mit thematischer Engführung des Materials – statt willkürlichem Stilmix -, somit Lesbarkeit, und gleichzeitig pulsierende Tanzwut. Im vierteiligen Abend der Henri Oguike Dance Company entfaltet der Choreograph atmosphärisch und stilistisch Unterschiede, viermal kohärent. Erst wird Vivaldi unterhaltsam und spritzig verabreicht, anschliessend lässt ein einsamer Mann (Nuno Campos) die letzten Strahlen der Abendsonne in der Sahara auf der Haut tanzen, alsdann übernimmt eine Tigermeute das Feld und zuletzt bringen drei Schlagzeuger die Tänzer und die Gefühle des Publikums in Wallung. 
Der Unterhaltungswert des ersten Stückes rührte nicht nur von der virtuosen Technik her, sondern auch von der Entdeckung korrespondierender Formen: wenn man das Schattenspiel der ausgefransten Borstenhaare in den maniriert-asiatischen Fingerspreizungen wiederfindet, und diese dann aus dem Dunkeln als Spinnen im seitlich einfallenden Lichtstrahl staksend davonkrabbeln sieht. Beim Tiger Dancing (auf der gleichnamigen Musik von Steve Martland) lässt der Halbafrikaner Oguike nicht nur Tiger heranpreschen. Die verspielte Lust an animalischer Bewegung hatte schon sein Zieh-(Gross)vater Cunningham. Wieviel authentischer und konstitutiver ist sie in Oguikes Schaffen! Mit verschiedenstem Laufwerk erobert sich die Tierwelt das Terrain. Wenn schlaffe Arme mit dem Handrücken auf dem Boden aufknallen, das Gewicht übernehmen, und die Beine ausholende Bewegungsfreiheit geniessen, denken wir unweigerlich an unsere Artgenossen. Doch dann marschiert auf dem Pizzicato der Streicher geradlinig eine Reihe einwärts watschelnder Eisbewohner auf (mal in einer Art Bourré in 6. Position, dann wieder über Fersen abrollend) und bald werden die Arme rechts und links zur Stütze ausgefahren wie die Flügelflossen der Robben. Wie erscheint all dieses Material im Umriss und wie in seiner Dynamik, scheint sich Oguike zu fragen. Er belebt Konturen und Silhouetten, variiert aber auch gern die Dynamik einzelner Körperteile: erhobene Hintern erzittern, der Brustkorb schleudert percussiv den Atem hinaus. Keineswegs aber ist das Stück eine Ansammlung kurioser Einfälle. Oguike überzeugt durch die Exposition eines Themas in Gestalt wie in der Dynamik, seine lesbare Durchführung in Variationen und bietet dankbarerweise genügend Reprise. 
Im letzten Stück Second Signal schaffte Oguike, was Renate van Berkel drei Tage zuvor in Bern nicht gelang: die fruchtbare Einbeziehung der Perkussionisten ins tänzerische Geschehen. Zum einen brachten Oguikes japanische Taiko-Trommler über ihren Spannungsaufbau durch Kreisschwünge, die sich auf den Taikos entluden, selbst choreographische Elemente ins Spiel. Zum anderen trieb der Puls die Tänzer an, die mit humorvoll gesetzten Akzenten erwiderten. Weniger organisch ging es im triple-zone von Renate van Berkel zu. Die Frage war zwar gut gestellt, “wer bewegt hier wen?” bei diesem interdisziplinären Abend mit Saxophon, Perkussionisten und Visual Arts. Die Antwort sollte sich halt nur nicht im geschäftigen Hin-und-Herschieben von Projektoren und Marimbas erschöpfen. Der einzige Trost des Abends war Maud Liardon, die das Forsythesche Erbe van Berkels gekonnt aufleben liess. 
weitere Aufführungen:
Henri Oguike
22. April 20h30 Lugano, Palazzo dei Congressi, Piazza Indipendenza 4
24. April 20h Baden, Kurtheater Baden, Parkstrasse 20
26. April 20h Thun Schadausaal, Seestrasse 68
28. April 19h30 Theater St. Gallen, Museumstrasse 24
Regina van Berkel
21. April 20h Zug Theater Casino Zug, Artherstrasse 2-4
22. April 20h Zürich Theaterhaus Gessnerallee, Gessnerallee 8
25. April 20h30 Chiasso Spazio Officina Via D. Alighieri 3b,
29. April 20h30 Delsberg Halles des Expositions, Rue Emile-Boéchat 60
27. April 20h15 Steckborn Theater im Pumpenhaus, Feldbachareal


Mittwoch, 16. April 2008

Ausblick April

erschienen in ensuite Nr. 64 April 2008, S.13:

Es ist kein April-Scherz, wenn in diesem Monat (fast) alle Stadttheater Ballettpremieren präsentieren, während das schweizweite Festivalangebot von Steps #11 unsere Besucherschritte (um)lenkt…

Heimatprodukte
In Basel kommt mit "Darting Dance" u.a. der junge Franzose Angelin Preljocaj zum Zug, wohl das erste Mal in der Schweiz. Mit seinem unverkorksten schwungvollen Bewegungsstil hat er schon Grosse Häuser im Ausland erobert.
Ort: Theater Basel, Theaterplatz Tel. 061 295 11 33
Aufführung: 4., 16., 17. April 20.00 Uhr, 6. April 19.00 Uhr
In Bern wird Ibsens ‘Gespenster’ vertanzt, in einer Fassung, die sich am Covent Garden schon bewährte.
Ort: Stadttheater Bern, Tel. 031 329 51 11
Aufführung: 4., 11., 30 19.30 Uhr, 27. April 18.00 Uhr
In Luzern wird Ovid auf barocker Musik im Duktus des Tanztheaters interpretiert: ‘Metamorphosen’
Ort: Luzerner Theater, Theaterstrasse 2 Tel. 041 228 14 14
Aufführung: 12., 19., 24., 27. April 19.30 Uhr
In Zürich ist die Junior-Companie von Spoerli an der Reihe. 
Ort: Opernhaus Zürich, Tel. 044 268 66 66
Aufführung: 12. April 19.30 Uhr 

Importe
Das Festival Steps #11 bietet auch diesmal eine Auswahl aus dem weltweit Besten. 
Forsythe
Für die, die Lust auf Forsythe bekamen, gibt es zweierlei: Zum einen seine frühen, eigentlich schon verschollenen Werke. Überaus athletisch und anspruchsvoll in der Balletttechnik sind sie nicht mehr im Repertoire des (verkleinerten) Forsythe-Balletts. Nur Flandern besitzt die Aufführungsrechte von ‘Impressing the Csar’. Bereit dafür zu pilgern?
Ort: Monthey, Théatre du Crochetan, Rue du Théâtre 6
Aufführung: 15., 16. April 20.30 Uhr
Ort: Winterthur, Theater Winterthur, Theaterstrasse 6
Aufführung: 19., 20. April 19.30 Uhr
Zum anderen gibt es Forsythes langjährige Ex-Tänzerin, Regina van Berkel, zu sehen die seinen Stil verkörpert. Denn der Körper ‘erinnert und denkt’, wie der Meister sagen würde.
Ort: Zürich, Theaterhaus Gessnerallee, Gessnerallee 8
Aufführung: 22. April 20.00 Uhr
Ort: Bern, Vidmarhallen, Könizstrasse 161
Aufführung: 18. April 19.30 Uhr
Inbal Pinto
Grahams Einfluss ist aus vielen Companien Israels nicht wegzudenken. Auch Inbal Pinto legt davon ein gelungenes Zeugnis ab.
Ort: Zürich Theaterhaus Gessnerallee, Gessnerallee 8
Aufführung: 24., 25. April 20.00 Uhr 
Ort: Bern Dampfzentrale, Marzilistrasse 47 Tel. 031 310 05 40
Aufführung:11 April 20.00 Uhr

Dienstag, 15. April 2008

Die Anfänge des Modern Dance Folge VI

erschienen in ensuite Nr. 64 April 2008, S. 11-13:

Forsythe und Labans später Einfluss

Forsythe, der Bewegungsanalytiker
Wenn Dimitri, dem berühmten Tessiner Clown, ein Stock im Hemdsärmel steckt, baumelt er an ihm wie am Kleiderbügel und beim begrüssenden Händeschütteln erleidet sein Gegenarm leichte Nebenwirkungen. Dann führt plötzlich derselbe Stock durch ein Hosenbein, sodass sich Arm und Bein nun in verhängnisvoller Komplizenschaft befinden. Und wenn Dimitri den imaginären Stock sich aus dem Hemdsärmel schüttelt, ihn faltet und in die Hosentasche steckt, ist die Geschichte des Stockes im Rampenlicht, Spotlight auf Händen und Tasche. Nicht so bei William Forsythe! Das Licht bliebe auf dem Rücken. Was für ein Spektakel zeichnet sich da ab! Am Kleiderbügel hängen? Da sind Schultern verkrampft erhoben, die Taille zieht sich wohl auf Kosten des Halses in die Länge, beim Händeschütteln bebt der gesamte Rücken mit und oben flattert die Gegenhand.
Was Forsythe interessiert, ist der Tanz des Körpers im Schatten der bedeutsamen Vorgänge. Immer wieder betont er, dass solche Stäbe oder andere vorgestellte geometrische Formen zwar nützliche improvisationelle Hilfsmittel sind, das eigentliche Spannende aber sich im reagierenden Körper abspielt. Doch beleuchtet Forsythe uns nur den Formabdruck der Pantomime ähnlich der Negativform beim Bronzeguss? Und knippst uns zudem das Licht über die Stock-Story aus? Fassen wir uns ein Herz: ja, uns entgeht der Slapstick und wir verlieren einiges an Bedeutsamen Geschehnissen aus den Augen. Doch er öffnet uns die Augen für die Zusammenhänge, die hinter der Geschichte wirksam sind. Und ausserdem, für die von uns, die eine allzugrosse Krokodilsträne dem letzten Bedeutungsgehalt nachweinen: Forsythe hat auf seiner käuflichen CD-Rom ‘Improvisational Technologies’ in die Hände seiner Tänzer wieder die Stöcke und herausreissbare Stuhlbeine projeziert. Stock und Stuhl wird nachträglich wie eine Strichmännchenzeichnung über den Tanz geblendet. Der Aha-Effekt ist gewaltig, man glaubt plötzlich, den Tanz verstanden zu haben. Und die Krokodilsträne trocknet.
Und wofür öffnet Forsyhte uns die Augen als Entschädigung für den ausgeblendeten Slapstick auf der Bühne? Forsythe öffnet uns die Augen für die Zusammenhänge am Tänzerkörper, während dieser eine Operation ausführt. Zusammenhänge, die im Ballett tunlichst vertuscht werden. Dass die Gegenhand mitflattert, wenn die Hand (am anderen Ende des fiktiven Stockes) schüttelnd grüsst, wäre undenkbar. In anmutiger Haltung, einer sich entspannt gebender Grundspannung, wird jeder ruckhaften Einwirkung – die es im Ballett durchaus gibt - entgegenwirkt. Um die grösstmögliche Zahl von Zusammenhängen zu entdecken, bemüht Forsyhte des Tänzers Phantasie – systematisch. Er stelle sich einen Würfel vor, in dem er steht. (Ja, wir erinnern uns richtig, der Würfel ist der Prototyp des laban’schen Ikosaeders). Er vergewissere sich, dass hinter ihm genauso viel kinetischer (über Bewegung erreichbarer) Raum ist, wie vor ihm. Er nutze ihn in gleichem Masse, so auch die Ebenen im Würfel (oben, mitte und bodentief). Ideal hierfür ist die Übung, die unterschiedlichsten Punkte im Würfel miteinander zu verbinden, sagen wir, zwei sich gegenüberliegende. Und sie in unterschiedlichster Weise zu verbinden: auf direktem, linearen Weg oder über Kurven. (Das fusst noch immer auf Laban). Und sie mit den unterschiedlichsten Körperteilen zu verbinden. Da kann schon mal ein Gesäß zum Ausgangspunkt vorpreschen und ein Zielpunkt mit der Nasenspitze erlangt werden. Entwickelt sich hierbei ‘nur’ ein komplexes Raumgefühl? Nein, die Mechanik, die der Bewältigung der Aufgabe zugrundeliegt, interessiert. Und sie ist von unserer Anatomie bedingt. Über wieviel Kurven (oder Ecken!) können zwei Punkte durch Gesäß und Nasenspitze verbunden werden? Die Wirbel und der Hals erlauben ein schlangenhaftes Ausschwenken von Kurven. Und wie sieht’s aus beim Verbinden derselben Punkte mit Fuß und Hand? Hier können Knie, Hüfte und Ellebogen eckig einbrechen. Die Gelenke offenbaren ihre scharnierhafte Mechanik. Neben der Mechanik untersucht Forsythe die möglichen Dynamiken. Und diese studiert Forsythe mit einer Akribie, die an Labans Eukinetik, der Antriebslehre, gemahnt. Die Dynamik eines Stock-Weggeschleuderns, um auf unsere pantomimische Übung zurückzukommen, wäre die folgende: aus einer scheinbar reglosen körperzentrumnah eingedrehten Diskuswerferpose heraus ‘explodiert’ die aufgestaute Energie im Körperinneren und schleudert den Arm in einem Kreisradius hinaus. Die Fliehkraft des Armes kann den Körper problemlos mitreissen. Die Spirale, die die Armbewegung in die Luft zeichnet, findet Forsythe zwar auch spannend, er kennt solche Bewegungsgestalten aus Labans Choreutik. Hier interessiert ihn nun aber deren dynamische Herausbildung. Das Potential dieser Schleuder-Dynamik, dem Standort zu entkommen, fasziniert Forsythe von Berufs wegen, verständlicherweise. Welcher Tänzer möchte schon in einem Käfig angenagelt bleiben? Doch Laban hat Tänzern mit Neulandgelüsten vorgesorgt: der Würfel, der kinetische Raum um den Tänzer, wandert einfach mit.
Magie oder Spastik?
Forsythe zieht einen nicht nur in den Bann der Hintergrundsgeschehnisse, er ist auch ein Magier, ein Herr unsichtbaren Geschehens. Was läuft z.B. in unserem Körper ab? Schon mal sich bewusst gemacht, wie die Niere beim Buckeln sich wölbt? Nein? In einer Improvisationsübung schult Forsythe unser Repräsentationsvermögen eines inneren Organs. Formen wir unsere Hand bestmöglich nach dessen Bilde und die Übung kann beginnen: Beugt man sich nach vor, so wölbt sich das Organ (und die Hand) entsprechend. Er macht uns Unsichtbares sichtbar. Kann sich jeder vorstellen, wie – spastisch – es aussieht, wenn man mit introvertiertem Blick die Niere zu spüren glaubt und ihre wechselnde Lage beim Biegen-Beugen auslotet, begleitet von einer unförmigen Handanballung (die im Falle des Herzens wohl auch noch pulsiert...) ?
Wie konnte es so weit mit Billy kommen? Eigentlich hat er doch 1973 ganz unbedarft und unauffällig wie so viele klassische Tänzer unser Kontinent betreten und sich mit respektierlichem Abstand hinter dem Star Richard Cragun ins Stuttgarter Ballett eingereiht. Wir erinnern uns, die grösseren Städte im Nachkriegsdeutschland haben sich mit dem Elan des Wiederaufbaus auch im Wettkampf der Ballerinen und Ballerinos profiliert. Leider ist der Ballettdirektor John Cranko, der Bill von Übersee weglockte, bald verstorben. Die Nachfolgerin, Marcia Haydée, folgte seiner Linie der Choreographen-Nachwuchsförderung. Forsythe nahm die Chance wahr und schuf 1976 Urlicht, ein Pas de deux in neoklassischem Duktus für sich und seine damalige Frau. Es schlug ein wie eine Bombe. Über Nacht avancierte er zu einem Hauschoreograph. Er dankte den Posten aber nicht stilwahrend. Langsam zeigte der Rock’n Roll-Rebell im Schafspelz die Krallen. Bill hatte Beat im Blut. Noch vor jeglicher Tanzausbildung hatte er in der Jugend sämtliche College-Kumpanen aus der Disco-Generation an die Wand getanzt. Man kann förmlich den schelmischen Spass spüren, den Bill gehabt haben muss, als er 1979 in Orpheus die Bewohner der Unterwelt zu zuckende Krüppel macht, Eurydike dagegen auf Spitze tänzeln lässt. Es ging ein Schrei durch die Presse. Doch da hatte er sich in der Fachwelt schon etabliert. Früh, ja sehr früh erkannte beispielsweise Heinz Spoerli vom Basler Theater das vielversprechende Talent und gab 1977 Forsythe ein Werk in Auftrag. So entstand dort seine Choreographie auf Bachs a-moll Violinkonzert. Einer von Bills Stuttgarter Ensemblekollegen war Jiri Kilian, der inzwischen das berühmte Nederlands Dance Theater (NDL) übernahm. Als Forsythe jung den Tänzerberuf aufgab, um sich ganz der Choreographieleidenschaft hinzugeben, profitierte Kilian von dieser Bekanntschaft. Die niederländische Companie, die so schon in aller Munde war, schmückte sich nun bald mit dessen Feder. Es ging steil bergauf, er war in London gefragt und das Pariser Chatelet wollte ihn als Ballettdirektor verpflichten. Da schlug in Frankfurt der Intendant mit besten Bedingungen zu. Diese konnte er auch lange aufrechterhalten. Dann aber mussten die westdeutschen Städten mit dem Solidaritätsgroschen ihr Tribut für die Wiedervereinigung zollen. Man muss dazu wissen, ein Stadttheater erhält im Gegensatz zu Staatstheatern keine unterstützenden Bundesgelder und im Gegensatz zum Landestheater vom eigenen ‘Land’, in diesem Fall Hessen, keinen Pfennig. Ab 1990 übernahm Forsythe Verantwortung, die Intendanz des Frankfurter Ballets und ab 1998 auch die des schliessungsbedrohten Theaters am Turm (TAT), eines international angesehenen Experimentier-Theaters in Frankfurt. Er merkte mit der Zeit, dass man seit Jahren an der Oper mit dem Erfolg der Tanzsparte die finanziellen Löcher anderer Sparten stopfte. Mit den internationalen Tourneen erwies sich seine Companie nämlich als rentables Export-Produkt. Nach 20 Jahren verabschiedete sich Forsythe vom Frankfurter Theater, dessen künstlerisches und technisches Personal er wiederholt für sein fachmännisches Engagement rühmte. Es ist ein geschichtlicher Glücksfall, wenn ein Theater Mut für einen Rebell hat und in Schlüsselpositionen Leute sitzen, die Manns genug sind, ihm die Stirn zu bieten (der jahrelange Partner in der Leitung des Ballets und spätere Intendant Martin Steinhoff härtete seine mit einer Promotion in Philosophie). Kontinuität dort zu gewähren, wo jemand von sich aus auf beständige Erneuerung aus ist, wie Bill, und das Publikum in seiner Stilbildung mitnimmt, ist ein europäischer Glücksfall. Die Bankenmetropole konnte die Kontinuität sich leisten. Sie hatte gekonnt investiert. In einen unternehmerischen Geist eines Amerikaners, der überkommenen Stil wie auch (verkrustete) theatrale Strukturen nicht als gegeben hinnimmt.
Dekonstruktion des Balletts
Ballett lernte Forsythe relativ spät, dafür direkt bei einem Lehrer, der als Balanchine-Tänzer ihm die Augen für die Formexperimente öffnete. Als Junger Tänzer der Joffrey Ballett-Companie sah Bill die auf Klassik fundierte, aber überaus dynamische Tänze der Amerikanerin Twyla Tharp. Er liebte ihre frische Art im Tanz: “sie war gleichzeitig unterhaltsam und analytisch”. Diesen Anspruch wird Bill auch an sich stellen. “Ich mag klassisches Ballett. Ich finde, es ist eine schöne, neutrale Sprache. Man sieht ein Ballett, man liest Geschichte… Was wir zu tun versuchen, ist, an der logischen Syntax festzuhalten, ohne in das rhetorische Sprachspiel des Balletts zu verfallen. Choreographie ist wie eine Sprache. Sie ist wie ein Alphabet, und du musst nicht unbedingt Wörter ausbuchstabieren, weisst du.. Der Wert einer Sprache ist bestimmt durch den Kontext, in dem sie erscheint. Das wichtigste ist, wie du die Sprache anwendest, nicht was du mit ihr sagst”, erfährt man aus einem in den frühen 80ern veröffentlichtem Interview.
Wie die späten Dadaisten der amerikanischen Avantgarde mit Sprache umgingen, wissen wir. Wir erinnern uns an Cage und Cunningham, die ihren Bewusstseinstrom fliessen liessen und über der Lektüre Joyce’ aus ‘‘holy ghost’ unversehens ein ‘holo caust’ enstand (in den frühen vierzigern). Oder wie in Cunninghams Händen die Bewegungssprache des Balletts der Willkür des Würfels unterworfen wurde und mit Graham-Oberkörpern daherkam, ganz zu schweigen vom gefundenen pickenden Vogelkopf obenauf. Collage war das Prinzip der Syntax. Zwar finden wir Aleatorik auch in Forsythes Choreographieverfahren, aber viel mehr von der Systematik eines Rudolf von Laban. Einmal mit einer Knieverletzung ans Bett gefesselt, vertiefte sich Bill in dessen bewegungsanalytische Schriften. Indem auch das Ballett in Raumrichtungen eines Quadrats eingeteilt ist, um seine Posen auf das Umfeld auszurichten, ist es nicht abwegig, wenn sich Forsythe Labans Theorie zunutze machen will. Wir erinnern uns, es waren eher die Pioniere wie Mary Wigman, die sich durch die geometrische Erfassung des Raumes für den Körper gegängelt fühlten. Sie spürten den Raum, seine atmosphärische, in Marys Worten ‘kosmische’ Stimmung. Ihre Gefühle kommunizierten über den Raum mit dem All. Bei Forsyhtes sind es die geometrischen Eigenarten der Anatomie, die mit dem Raum in Beziehung stehen. Welch ein eklatant verschiedener Ansatz! Dass man auch Wigmans Tanz nachträglich über Laban analysieren kann, steht ausser Frage. Für ihr schöpferisches Verfahren und Selbstverständnis war die Systematik eher hinderlich und musste samt den analysierenden Experimenten tief ins Unterbewusste sickern, um fruchtbar zu werden. (Sie mied auch zeitlebens eine weitere Zusammenarbeit mit Laban). Forsythe dient jedes Detail der Choreutik oder Eukinetik als Quelle verspielter Erkundung. Impuls einer Bewegungsfolge in der Antriebslehre? Nehmen wir doch gleich zwei! Würfel um das Bewegungszentrum herum? Dann nehmen wir halt zwei! Forsythes Kreativität ist so spannend wie es sich anhört. Seine CD ‘Improvisation Technologies’ führt es dem ‘analytischen Tanzauge’, wie der Untertitel heisst, anschaulich vor.
Und wie kommt es, dass Forsythes Bewegungen schlussendlich alles andere als geometrisch aussehen? Wie kommt es, dass trotz lauter unterschiedlicher Impulse der Eindruck eher ein Fluss ist? Merce Cunningham hatte seinen Spass daran, Haltungs- und Bewegungsfragmente in ein körperliches Gesamtereignis zusammenzuwürfeln. Dabei entseht Eckiges und Inkompatibles, was einen Charme für sich hat. Bei Forsythe werden geometrische Entdeckungen am Körper und um ihn herum (auch Abstände und Strecken zwischen Körperteilen können geometrisch sein!) durch die Mühle des Körperzentrums wie durch einen Verdauungstrakt gewalzt. Das Mahlen ist die Vorliebe Forsythes. Sein Tanz ist vielleicht der lebendigste (Kunst)Ausdruck zeitgemässen Wiederverwertens. Nicht wie Tinguely und Merce, die fertige Versatzstücke ab- und zusammenbauen (die eigentlichen Dekonstruktivisten). Forsythe nimmt eine klassische Position, lässt den Oberkörper oder Hüfte in ihr einmal rhotieren, und die Position erscheint danach wie neu mit einem bizarren Beigeschmack. Oder er nimmt sie, faltet die Extremitäten an den Scharnieren ein, übernimmt den daraus entstehenden Impuls im Oberkörper auf, durchwalzt ihn in einer Körperwelle und entlässt ihn am anderen Körperende wieder. Hergebrachtes recyceln und unbedeutsame Reste aus dem Schatten pantomimischer Improvisationen verwerten, das sind Geheimrezepte aus seiner Impro-Küche. Warum beschweren wir uns, dass wir zunehmend weniger an Forsyhthes Tanz (wieder)erkennen? Wir stehen gebannt vor der Systematik seiner Produktionsmaschinerie, was herauskommt ist organisch. Oder verkrüppelt. Denn eines ist mit Forsythe gewiss: was herauskommt ist ungewiss.
Überwindung theatraler Strukturen
Forsythe hat seine Companie 2004 aus der herkömmlichen Einbindung in einer Insitution gelöst. Er bezog mit einer um die Hälfte verminderten Truppe den Musentempel Hellerau bei Dresden. Hier hatten vor hundert Jahren Mary Wigmann und andere moderne Tänzer ihre Initialisierung erfahren (bevor sie zum Monte Verita pilgerten). Von Hellerau aus bindet sich Forsyhte ‘lose’ an Häuser wie Zürich und Frankfurt. Schon in Frankfurt versuchte er mehrfach, sich aus den Zwängen der Theaterstrukturen zu befreien, – um den Tanz etwa einsam in einem 8 m tiefen Schacht zu erkunden.(Durch den Schacht werden gewöhnlich Kulissen vom Malersaal in die Schreinerei gelassen). War das seine Antwort auf die Kürzung der Gelder um 80 %? Im Schacht, Teil einer installativen Performance-Reihe Wanda Golonkas ‘An Antigone’, spielte Forsythe mit der Wahrnehmung der Guckkastenbühne – von oben. Forsythe klebte als Performer an den Seitenwänden, von ihnen wie durch Schwerkraft angezogen. Vorn und hinten war schon gar nicht auszumachen. Wenn von oben geguckt wird, was ist da noch aufrecht? Der theaterwissenschaftliche Blick von aussen (Forsythe schulte ihn an der Universität in Florida) wird empirisch erprobt am Blickwinkel eines Feldforschers. Ob das Feld nun weit oder eng. Installationen präsentieren die Ergebnisse, das Feld dabei ist immer seltener eine Bühne. Die Züricher können seit gut zwei Jahren ein solches Feld in der Schiffsbauhalle selbst abschreiten. Sie erlebten dort hautnah ‘Human Writes’, ‘Kammer/Kammer’, in den Strassen ihrer Stadt ‘City of Abstracts’, sowie ‘Heterotopia’ und unlängst ‘Defenders’. Forsythes weitere Entwicklung? Das ist ein weites Feld…

Montag, 14. April 2008

Vim Vandekeybus: "Blush"

Wie ein Frosch entspringt der Urahne Homo Salticus dem Gewässer. Überhaupt soll das Bewegen wie im Wasser den paradiesischen Urzustand heraufbeschwören, meint Produzent van Langendonck über den Film Blush von Vim Vandekeybus. Doch stumm ist das paradiesische Genre deshalb keineswegs, denn seit der Eroberung des Festlands bedient man sich der Schallwellen. Und diese liefert für den Film der Rock-Star David Eugene Edwards und seine Band Woven Hand. Die Bewegungen, die tatsächlich wie in Wellen auf die Leinwand geschwemmmt werden, sind von der kraftvollen Musik getragen. Der Film ist selbst eine choreographische Leistung, der die Küstenaufnahmen Sardiniens und Bühnenausschnitte fast atemlos musikalisch ineinander flicht. "Strand, Felsen und Hügel generieren in den Tänzern Bewegungen, mit denen sie sich voll ans Umfeld adaptieren", meint der Produzent. Schon Pina Bausch wusste, dass es sich auf Laub, Erde und Wasser je anders tanzen lässt. Dann kam es allenorts zu Out-door-events. Es ist nur folgerichtig, wenn der Choreograph und Filmemacher Vim Vandekeybus nun beides vereint und mediengerecht aufbereitet. Das archaische Thema bleibt allerdings Geschmackssache.
Der belgische Zeitgenosse von Vim Vandekeybus, Alain Platel, äusserte sich 2004 über ihre gemeinsame Gründerzeit: “Als ich anfing, war die Situation so, dass es in Belgien nur sehr altmodischen Tanz und altmodisches Theater gab. Es gab nichts außer Béjart, der Belgien gerade verlassen hatte. Zeitgenössischer Tanz und Theater waren ein unbesetztes Feld: Das machte es einfach, etwas anderes dagegenzusetzen. Deshalb konnten Jan Fabre, Ann Teresa de Keersmaker, Vim Vandekeybus und Jan Lauwers soviel entwickeln. Für junge Tänzer heute ist das viel komplizierter, ihre eigenen Statements zu geben, sie haben inzwischen ja Mütter und Väter.”
Sonntag, 20.04.2008, 22.55 Uhr, Blush SF1 
Wiederholung: Sonntag, 27.04.2008, 05:30 SF1

Dienstag, 8. April 2008

Compagnie Drift: Au bleu cochon




An der Theke der Bar Zum blauen Schwein geht’s anfänglich noch sehr befangen zu. Die Singles (Slava Zubkov und József Trefeli) halten fest an ihrer Vereinzelung, am Glas und der Bierflasche. Der Punk schwenkt immer wieder seinen Schweif, wie um Fliegen zu verjagen, ein anderer kehrt jedem Neuankömmling den Rücken zu. Doch wie sich die Bar (auch mit Frauen - Judith Rohrbach, Mónica Muñoz Marín -) füllt, der Alkoholpegel steigt, beginnt die Anmache. Gewollt – ungewollt heisst das Strickmuster, nach dem der geheimnisvolle Stoff des Flirtens gewebt ist. Die schicken weiblichen Posen, in die mal Taille, mal Hals einknickt, mal Bein, mal Arm die volle Länge ihrer Schönheit kundtut, sind Klischees. Sie bilden wie in der Montage von Videoclips schliesslich eine Identität – hinter der man sich verstecken kann. Je nervöser man sich versteckt, umso mehr beschleunigen und verselbständigen sich die Posen. Da schlenkert schon gern mal ein Bein in die Richtung, in die sich der Blick nicht wagt. Und wenn keck auf die Theke gestützte Ellebogen wegkippen, der Kopf auf den Nebenmann sackt, dieser aufspringt, seinen Nebenmann mitreisst welcher wiederum die Stütze seines Nachbarn sprengt, so macht eine Kommunikation die Runde. Gewollt-ungewollt kommt man in Kontakt. “Verkettungen und Verschränkungen in einem geschlossenen Gesellschaftskreis ist ein Thema, das sich durch das Stück hindurchzieht”, meint Beatrix Jaccard, Choreographin (in Zusammenarbeit mit Peter Schelling) der Companie Drift. Ticks, Posen und Übersprungshandlungen werden in solche Kettenreaktionen eingewoben, als wären sie ein fester Bestandteil der Betroffenen und ihres Umgangs. Ja, aus der Unsicherheit heraus entstehende Bewegungsfloskeln werden beliebig einsetzbare Versatzstücke, die lediglich dazu dienen, den ach so fein gesponnenen Faden nicht abreissen zu lassen. Die Companie Drift schafft es mit der Freiburger Premiere am 2. April erneut, tiefe psychologische Einsichten in ein skurriles Ambiente zu betten, so dass wir über ihren Humor bereit sind, sie zu schlucken, und gerne davon mehr!
Weitere Aufführung: 
16., 18. & 19.04.  Luzern, Théâtre la Fourmi
22. & 23.04 Leipzig, LOFFT
25. & 26.04. Dresden,  Intern. Tanzwoche Dresden
06.-09.05. Zurich,  Tanzhaus Zürich
14.-17.05. Basel, Theatre Roxy


Freitag, 4. April 2008

Limon in Budapest

Limón Tánceggyüttes a Budapesti Tavaszi Fesztiválon
Kiváló koncepció, hogy a Budapesti Tavaszi Fesztivál műsorában nem csak kortárs-együtteseket szerepeltet. Igy láthattuk húsvétkor a Limón Táncegyüttest New Yorkból, amely hajdani mesterének darabjait elevenen tartja. Miért jó ez a koncepció? Miért fontos látni a modern tánc úttörőit? A többi müvészeti ágnál nem vonjuk kétségbe, hogy a mai művek kialakulását jobban megértjük, ha szemügyre vesszük azok előfutárait. A kortárs tánc azonban nem tűzi ki magának a célt, azt a hagyományt felmutatni, amiből fakad. Minek is? Hisz eredeti, újszerű szeretne lenni. Minél meglepőbb és hagyomány-rombolóbb, annál értékesebb, - úgy véli. Meghökkentő talán, hogy épp a modern tánc előfutárai rendelkeztek ezzel az erényel, mikor ez még nem is volt elismert ’érték’. Ök szabaditották föl a szinpadi táncot a virtuozitás szolgálatából és kerítettek neki kornak megfelelő formát. Ez a merészség egy mai előadásban nem tud érvényesűlni, ha csak nem a háttérbe vetítjük az akkor szokásos szinpadi táncot (pl Fokine balettjét).
Mivel a modern tánc kezdeteiből kevés mű került egy mai repertoárba (Martha Graham együttese végez még hagyomány ápolást), és még kevesebb kerűl földköri útra, a Budapesti Fesztivál látogatója igazán szerencsésnek vélheti magát. Ha láthatta is már a társulatot Magyarországon.
A háromféle program megvolt toldva Jiri Kylian Evening Songs című darabjával. A holland (úgynevezett) NDT társulat vezetője utóbbit a nyolcvanas években készitette, mely sem kimagasló sem túlságosan eredeti mű. Néptáncelemei és lábdobbantásai akár a mexikói Limón hatása alatt is készülhettek volna. Ezzel szemben Susanne Linke, a német modern tánc örököse, teljesen más szemszögböl alkotta Transfiguration (Átváltozás) című darabját: a föld felszinéröl. Mintha keze lába egyenrangú lenne, egyenjogúan táncra kel. Egyik sem kerekedik tartósan a másik fölé, s ha haladni kell, síkban valamelyikük elrúgaszkodik. A könnyed és lendületes tánca Susanne Linke Limonféle kiképzéséről árúlkodik (inkább csak német területen, nem mint a program füzet véli a Rotterdam Danse Centerben). Semmi köze a kortárs tánc atletikus talaj gyakorlataihoz. Miért is lenne, két évtizeddel elöttük készült.
Ez után még tisztábban bontakozik ki Limon hires The Moor’s Pavane című műve. A tánc szimetrikus de variálódó formációja nem csak az udvari táncok műszerűségét idézi. Shakespeare Othello négy szereplője viszonyát tükrözi, ami a változóan összetett pártáncban érvényesül. E szigorú alakzatból ha kitör valaki, annál hatásosabb. Egyenes tartásból ha kileng vagy begörcsöl valaki, annál megrenditöbb. Aki a reneszánsz alakzatból kitör, az Othello úgy vélt barátja Jago, ki nyálasan Othello köré csavarodik és suttogva ennek feleségét gyalázza. Féltékenységét ébreszti Jago, hazug módon akár egy kigyó. Aki meg a kellő tartásból ki-kitör, görnyedve, az Desdemona, kit a férje gyanakvása terheli. Evvel a darabbal nyerte Limón el a világhirét. Hogy lehet jelentöségét érzékeltetni? Lucas Hoving, annak idején Limón (Othello) oldalán Jagoként szerepelt aztán évekig a Rotterdam táncakadémiát vezette, vallja: nehéz továbbitani a szerepet, mert nem (elég igénytelen) lépéstechnika elsajátitása vezet a lényeghez. Ö példáúl Limon betanitásakor a lélegzésére figyelt. Felületes, könnyü lélegzésröl avagy mélyröl van szó? De ha jól odafigyeltünk, mi is észrevehettük a rejtett energiák jelentőségét: A kilengő mozgások mélyen a reneszánsz ruhák alól buggyantak elö.
Elvontabb színten Limón Zsoltár című darabjának is narratìv tartalma van. Nem csoda tehát, ha kifejezö gesztusok, tartások jellemzik a táncot. A zsoltárosok derékban hátra hajlanak, tekintetük az égbe mered. Az úgynevezett ‘igaz ember’ a világ bánatát hordozza, mikor fülére préseli kezét, összehúzza könyökét, s így takarja el arcát. Hegyes könyökeit égnek feszíti, s amint megiramodik - mintha hasítani kívánná a levegöt -, egy sikoltás képmása. Kifejezö mozzantok teszik ‘olvashatóvá’ a mozgás folyamatát. Az úgynevezett 2. pozicióban (terpesztett kifele forditott lábak) hirtelen beroskad az ‘igaz ember’, a térdek megrogynak, mintha a föld vonzereje törné meg váratlanúl az ember tartását. De ha mindez elriaszt, mert az egyértelműségre törekvő művészet kora múlt, tudatosítsuk magunban, mit veszíthetünk. Mit veszítünk, ha már nem fürkésszük mozgásaink kifejezését, ezek összefüggéseit (mint múlt század közepéig a tánckutató Lábán Rudolf az eukinetikában)? Lehet, hogy még nem elég hosszú ideje vonja el figyelmünket a játékos posztmodern- és görcsös koncept-tánc. De ha egyszer elkezd úntatni a szórakozás, a számos happening és performance már az egeret sem csalja elő a kemence mögűl, talán rémleni fog majd. Fragmentált mozgolódásunk mögött netán hiányoljuk a lendületet, az idő üldözöttjeiként visszasírjuk majd a mélylélegzést. Ha ugyanis nem a darab közvetlen értelmét vesszük, akkor élvezhetjük a Zsoltár dinamikai tartalmát: megnyilvánúl egy drámai erö, mely ha bár nem is “a halál felett is diadalmaskodó emberi szellem hösi erejét idézi meg”, mint Limón vélte, de ritka lendületröl tanúskodik. A szinpadot teljes szélességében átszövik a tizenöt táncos két oldalról indított sorai. A lendületéröl hìres Mexikói koreográfus erőteljes táncelemeinek suhogása a nézőtér hátsó soraihoz is eljutott. Ez a dinamika marad meg sok nézőnek az emlékezetében, nem pedig a darabnak a kora múlt szimbolumával terhes vége, mikor ’az igaz’ mennybe emeltetik szétfeszitett kézzel. Tánctörténetileg volt valóban húsvéti a program.