Montag, 21. April 2008

Henri Oguike im Festival Steps #11


Henri Oguike hält was Regina van Berkel verspricht

Im Rahmen der Steps #11 können die Schweizer das neueste Werk der holländischen Ex-Forsythe-Tänzerin Regina van Berkel wie auch des nigerianisch-britischen Henri Oguiki betrachten. 
Oguike bietet, was man nicht mehr zu hoffen wagte: ausgfeilte Choreographie mit thematischer Engführung des Materials – statt willkürlichem Stilmix -, somit Lesbarkeit, und gleichzeitig pulsierende Tanzwut. Im vierteiligen Abend der Henri Oguike Dance Company entfaltet der Choreograph atmosphärisch und stilistisch Unterschiede, viermal kohärent. Erst wird Vivaldi unterhaltsam und spritzig verabreicht, anschliessend lässt ein einsamer Mann (Nuno Campos) die letzten Strahlen der Abendsonne in der Sahara auf der Haut tanzen, alsdann übernimmt eine Tigermeute das Feld und zuletzt bringen drei Schlagzeuger die Tänzer und die Gefühle des Publikums in Wallung. 
Der Unterhaltungswert des ersten Stückes rührte nicht nur von der virtuosen Technik her, sondern auch von der Entdeckung korrespondierender Formen: wenn man das Schattenspiel der ausgefransten Borstenhaare in den maniriert-asiatischen Fingerspreizungen wiederfindet, und diese dann aus dem Dunkeln als Spinnen im seitlich einfallenden Lichtstrahl staksend davonkrabbeln sieht. Beim Tiger Dancing (auf der gleichnamigen Musik von Steve Martland) lässt der Halbafrikaner Oguike nicht nur Tiger heranpreschen. Die verspielte Lust an animalischer Bewegung hatte schon sein Zieh-(Gross)vater Cunningham. Wieviel authentischer und konstitutiver ist sie in Oguikes Schaffen! Mit verschiedenstem Laufwerk erobert sich die Tierwelt das Terrain. Wenn schlaffe Arme mit dem Handrücken auf dem Boden aufknallen, das Gewicht übernehmen, und die Beine ausholende Bewegungsfreiheit geniessen, denken wir unweigerlich an unsere Artgenossen. Doch dann marschiert auf dem Pizzicato der Streicher geradlinig eine Reihe einwärts watschelnder Eisbewohner auf (mal in einer Art Bourré in 6. Position, dann wieder über Fersen abrollend) und bald werden die Arme rechts und links zur Stütze ausgefahren wie die Flügelflossen der Robben. Wie erscheint all dieses Material im Umriss und wie in seiner Dynamik, scheint sich Oguike zu fragen. Er belebt Konturen und Silhouetten, variiert aber auch gern die Dynamik einzelner Körperteile: erhobene Hintern erzittern, der Brustkorb schleudert percussiv den Atem hinaus. Keineswegs aber ist das Stück eine Ansammlung kurioser Einfälle. Oguike überzeugt durch die Exposition eines Themas in Gestalt wie in der Dynamik, seine lesbare Durchführung in Variationen und bietet dankbarerweise genügend Reprise. 
Im letzten Stück Second Signal schaffte Oguike, was Renate van Berkel drei Tage zuvor in Bern nicht gelang: die fruchtbare Einbeziehung der Perkussionisten ins tänzerische Geschehen. Zum einen brachten Oguikes japanische Taiko-Trommler über ihren Spannungsaufbau durch Kreisschwünge, die sich auf den Taikos entluden, selbst choreographische Elemente ins Spiel. Zum anderen trieb der Puls die Tänzer an, die mit humorvoll gesetzten Akzenten erwiderten. Weniger organisch ging es im triple-zone von Renate van Berkel zu. Die Frage war zwar gut gestellt, “wer bewegt hier wen?” bei diesem interdisziplinären Abend mit Saxophon, Perkussionisten und Visual Arts. Die Antwort sollte sich halt nur nicht im geschäftigen Hin-und-Herschieben von Projektoren und Marimbas erschöpfen. Der einzige Trost des Abends war Maud Liardon, die das Forsythesche Erbe van Berkels gekonnt aufleben liess. 
weitere Aufführungen:
Henri Oguike
22. April 20h30 Lugano, Palazzo dei Congressi, Piazza Indipendenza 4
24. April 20h Baden, Kurtheater Baden, Parkstrasse 20
26. April 20h Thun Schadausaal, Seestrasse 68
28. April 19h30 Theater St. Gallen, Museumstrasse 24
Regina van Berkel
21. April 20h Zug Theater Casino Zug, Artherstrasse 2-4
22. April 20h Zürich Theaterhaus Gessnerallee, Gessnerallee 8
25. April 20h30 Chiasso Spazio Officina Via D. Alighieri 3b,
29. April 20h30 Delsberg Halles des Expositions, Rue Emile-Boéchat 60
27. April 20h15 Steckborn Theater im Pumpenhaus, Feldbachareal


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