Samstag, 27. Juni 2009

Tanz - Made in Bern 2


Kreative Bern-Companie

Nach der einmonatigen England-Tournee beweist das Bern:Ballett, was eine vielseitig Companie kann: anspruchsvolle Ballette in London vertanzen (Sturmhöhe von Cathy Marston), Hofesh Schechter-Stücke im Umland hinbrettern, Workshops halten und nach der Ankunft innert einer Woche ihre Eigenschöpfungen bühnenbereit feilen. Professionell eben. Sauber getanzt und technisch fordernd choreographiert.

Von zehn Tänzen des abwechslungsreichen Abends seien nur manche genannt: Eine einfallsreiche Arbeit bot Erick Guillard. Nur Ausschnitte seines Körpers rücken während seines kurzen Solos ins Rampenlicht. Ein feiner Lichtstrahl schneidet das Dunkel der Bühne, und fällt mit dem Rauschen eines Schwertes auf seine Zehen. Feingliedrig und von Schatten durchfurcht liegen sie da wie Gehirnwindungen. Und prompt artikulieren und raunen sie sich Befindlichkeiten der linken und rechten Gehirnhälfte zu (der Komponist Dave Maric manipuliert dabei live die ins Mikrophon gehauchte Stimme des Tänzers). Dann fliegen die Finger in den Blickpunkt. Sie führen einen Insektentanz auf, deren vermeintliche, hektische Begleitmusik wohl nur ein Tänzer wirklich nachempfindet und hier, elektronisch unterstützt, passgenau-zischend zuschneidert. Wenn dann der Rachen sich dem Strahl stellt, ist das ein Zweikampf. Wer wen ins Visier nimmt und verschlingt, ist nicht ausmachbar. Ein tiefes Eindringen und ein Saugen, ein Speien und vernichtendes Verschlucken. Dann Black-out. Oder ward jemand ausgelöscht?

Martina Langmann fiel schon letztes Jahr auf, wie sie ein akustisch-optisch abgestimmtes bühnentechnisches Konzept mit dem Sujet interagieren liess. Diesmal lässt sie Kalligramme an den Wänden tanzen, durch die Tänzerin Izumi Shuto rasend plakatgross mitschreiben, was auch einem Tanz gleichkommt. Und schliesslich bespränkelt die Japanerin ihr Umfeld mit ihren überraschend hervorpreschenden Extremitäten, eine tanzende Kalligraphie eben. Auf die Bemerkung, dass nicht eine Bewegungsfolge auch nur irgendwie nachvollziehbar sei, lacht Martina: "Das ist gewollt! Izumi Shuto und ich haben hart gearbeitet, um jegliche Bewegungsmuster, die uns kamen, umzustülpen."

Hui-Chen Tsai hat wie letztes Jahr zwei Stücke aufgeboten. Zweimal, wie damals, überraschend Unverwandtes. Die Vielseitigkeit wird wohl nie versiegen. Offensichtlich arbeitet sie nämlich die stilistischen Eigenheiten der Gastchoreographen auf, was sie bereitwillig bestätigt: "Ja, wenn ein neuer Choreograph kommt, bin ich bereit wie ein Schwamm." Diesmal hat sie sich an eine konkrete Thematik gewagt, eine Handlung: sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Das frühmorgendliche Alltagsritual, das Aufstehen, sich Herrichten ist auf ein hart kalkuliertes Taktmass abgerichtet. Durch unbarmherzige Hetze sind alle Bewegung überzeichnet und der Aktenkoffer schwingt um die Ohren. Der mechanische Ablauf - in grau - steht wohltuend emotionslos im Kontrast zur rotbeleuchteten Intimsphäre - im Büro. Wo nämlich die Grenze des Innersten im Menschen mit autoritärem Anspruch des Vorgesetzten übertreten wird. Der zersauste Zustand des danach, "wie durch den Wind, wie nicht von dieser Welt" (Hui-Chen Tsai) handelt ein einsames Solo. Die Idee, das Opfer den Schandfleck im Innersten durch zerrende Bewegungen sich entreissen wollen zu lassen, ist choreographisch durchaus ergiebig, verträgt aber vermehrt Exzentrik, eine Herausforderung auch an die Tänzerin Martina Langmann.

Viele andere der jungen Choreographen werden noch von sich reden machen, z.B. das neue Mitglied Erion Kruja, Ihsan Rustem (kommende Spielzeit in Luzern), Chien-Ming Chang (demnächst in Hofesh Schechters Companie).

Jeder freut sich auf die nächste Herausforderung Tanz - Made in Bern 3 im Jahr 2010, dann auf der Hauptbühne.

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