Bewegte Umwege? Kreativität und Karriere der Choreographen
Das diesjährige Symposium des Festvials Steps#12 vom 5. Mai in Bern
Das Schweizer Festival Steps gibt es zweijährlich seit 1988. Im Geist des Migros-Kulturprozents versucht es zum Wohle der Gemeinschaft die gesamte Schweiz zu erreichen. Es bespielt 29 Städte drei Wochen lang mit zwölf Companien. Mit Erfolg, denn zwei Drittel der Veranstaltungen sind ausverkauft. Ein ganz wertvoller Beitrag des Festivals ist das Symposium. Sein Sinn? Die erlesenen meist ausländischen Gäste des Festivals, die durch das gesamte Land gelotst werden, sollten sich nicht nur in den Flughafenvorhallen treffen, meint Hedy Garber, Leiterin der Direktion Kultur und Soziales des Migros-Genossenschaftsbunds. Nein, sie sollten einbezogen werden in inhaltliche Debatten. Migros wünscht aktiv Akzente in der schweizer Kulturlandschaft zu setzen. Dass Migros fördert und organsiert, das wissen wir, aber mit solchen thematisch gefassten Festivals und Symposien "investiert sie in Inhalte".
Geladene Gäste: "Geld!"
Und was ist der Inhalt dieses Jahr? Zum ersten Mal sollte der Tanzmacher (Heinz Spoerlis Begriff) im Mittelpunkt eines Symposiums stehen, sein künstlerischer, aber auch existentieller Werdegang. Kreativität und Karriere in der Choreographie war der Titel. Neben den doch wenigen Schweizer Choreographen waren auch die Förder und Medienschaffende geladen. Die Presse glänzte durch Abwesenheit. Das visuelle Medium art-tv wird aber auf seine Kosten gekommen sein als er Hans van Manen ins Visier nahm. Der Star der Geladenen war augenscheinlich in Höchstform. Humorvoll schilderte er, wie er zum Beruf kam. Wie er als Maskenbildner in die Tanzproben lugte - und bald für jemand einspringen sollte... Was wünsche Hans van Manen für den Tanz von heute? Der Rat eines der erfolgreichsten Choreographen adressiert an den heutigen Tanz könnte für die Anwesenden und jungen Choreographen unschätzbar sein. Doch auf die Frage ertönte es schlicht: "Geld!"
Dieser beschwörende Ruf wurde nach Manen-Manier aber sogleich humorvoll umgewandelt: "Wenn man den Tanz gerahmt an die Wand hängen könnte, sässen lauter Millionäre hier..."
Gelehrsam und mit Goethe-Zitaten gespickt sprachen 'Kreativitätsforscher' und Kunsthochschulrektoren von Kreativität und seinen Durststrecken. Ob solches den Betroffenen im beschwingten Ton von der Kanzel gekündet hilft, oder nur verstimmt, wie ich vernahm, bleibe offen. Die Definition von Kreativität als Neu-Kombination von Information im Wechselspiel von Konvergenz und Divergenz mag zwar biologische, psychologische und psychiatrische Erfahrungen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Sie trifft auf Zellen nicht minder zu wie auf Choreographen, - und hilft in der Not keinen Schritt weiter. So wenig wie die müssigen Worte zur Sorge um den Nachruhm. Dies ist die einzige Sorge, die die ephemere Kunst nicht plagt.
Repertoirpflege als Chance
Eine Rednerin vom Fach, Karin Hermes, konstatierte - zwar in anderen Worten - wie der Tanz von heute rechts und links klaut. Für die Postmoderne der mobilsten aller Künste, des Tanzes, ist das durchaus legitim, doch besser wäre es, wenn man auch noch wüsste, was man klaut. So plädierte die Tanzrekonstrukteurin (sie holt notationgenau Tänze aus der Vergessenheit) und Choreographin für die Kenntnis aller Stilfrüchte, die auf dem Markt feilgeboten werden - und für deren Fairetrade. Damit aber die Früchte, noch bevor sie genetisch verändert (oder geklaut) werden, gekostet und ihren Namen in die Welt tragen können, bedürfen sie Märkte. Dafür brauchen, wenigstens die Früchte der Stilprägendsten einen wiederkehrenden Stand, an dem sie immer wieder als "Repertoir" hervorgeholt und aufgetischt werden können. - Wir Konsumenten könnten so auf den Geschmack kommen und sie unterscheiden lernen, bevor sie weiter zubereitet werden.
Anerkennung als Eckpfeiler
Förderer und Veranstalter waren so zahlreich zur Stelle wie die Künstler selbst, was einen sehr intensiven, zutiefst professionellen und erfahrungsgeladenen Austausch generierte. Träumte jemand z.B. gegenüber Sidi Larbi Cherkaoui sitzen zu dürfen? Dem Belgier Fragen zu seinen künstlerischen (Um)wegen zu stellen? Das Symposium bot in moderierten Debatten dazu Gelegenheit.
Anerkennung, so ward an diesem Tag wissenschaftlich dargelegt, ist ein fester Pfeiler der Kreativität. Doch woher nehmen? Die belgische Tanzförderung ist weltweit vorbildlich. Der Schweizer Choreograph der freien Szene bettelt (abendfüllende!) projekt-weise um Geld, wird kaum angekündigt oder besprochen (die Schweizer Presse ist im Abbau und fusioniert) und Fachblätter gibt es keine mehr (die letzten drei gingen die vergangenen zehn Jahre ein). Was zunehmend den Ton angibt, ist die PR der Veranstalter und ihr Geschmack...
Wie gut tut da so ein Symposium!
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