Verrückte Interpretation
von Nijinsky (2000)
beim Prix-de-Lausanne 2017
Schostakovich und Nijinsky in einem
Werk zusammenzuführen verspricht Intensität. Dem grössten aller Tänzer kreierte
der Hamburger Choreograph John Neumeier eine eindringliche Hommage. Ein Musiker
und ein Tänzer, deren Schicksale sich seltsam kreuzen.
Die Sinfonie, die John Neumeier für die
Hommage wählte, betitelte Schostakovich mit "Das Jahr 1905". Damals:
eine friedliche Revolution, die vor dem Petersburger Palast niedergeschlagen
wurde. An welcher sein Vater teilnahm. 50 Jahre später, als er die Sinfonie
schrieb, wurde eine weitere begraben: die ungarische. Schostakovich habe sie
durchgehend im Sinn gehabt, während er schrieb, berichtete seine Witwe. Doch
das Schicksal spinnt seine Fäden weiter: Nijinsky, als er seinem Mäzen (und
mehr) Diaghilev 1914 den Rücken kehrte, zog genau in diese bald blutende Stadt,
mit seiner ungarischen Frau: nach Budapest.
Weiter sich schnürende Fäden?
Die vielleicht überzeugendste
Nijinsky-Interpretation
war gerade in Lausanne zu sehen. Von einem jungen Italiener von 17 Jahren. Er
machte sich mit zwölf Jahren auf, um als Tanzeleve in die Stadt zu ziehen – ohne Eltern –, in
der Nijinsky knapp hundert Jahre zuvor hospitalisiert wurde, Zürich. Damalige Diagnose:
Schizophrenie.
Michele Espositos Tanz schnürt einem
die Kehle zu.
Er bekam dafür die goldene Medaille.
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